Unfallversicherung

Die den Versicherungen zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen verlangen für ein versichertes Unfallereignis ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis, das unfreiwillig zu einer Gesundheitsbeschädigung führt. Bloße Eigenbewegungen des Versicherten sind nicht ausreichend. Etwas anderes kann aber gelten, wenn die Eigenbewegung nicht mehr kontrollierbar ist und der Versicherte bspw. ausrutscht.

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs, 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Der Kläger beansprucht bedingungsgemäße Entschädigung aus vier Unfallversicherungen, die er bei der Beklagten genommen hat.

Der Kläger zersägte am 29.8.2005 in seinem Garten nasse Holzpaletten zu Brennholz. Er nahm jeweils eine Palette vom Stapel, hob sie an und schwenkte sie flach vor dem Bauch haltend in Richtung Kreissäge herum. Bei einem dieser Hebevorgänge verspürte der Kläger ein Knirschen in seinem Schulter-Nacken- Bereich und Schmerzen, die sich verschlimmerten. Aufgrund anhaltender Beschwerden wurde der Kläger im April 2006 an der Halswirbelsäule wegen Spinalkanalstenose, Foramenstenose mit Segmentinstabilität operiert; es wurden die Bandscheibe C5/6, Foramina und Retrophyten entfernt; die Halswirbel wurden mit Implantaten versteift.

Der Kläger behauptet, er sei bei dem Heben und Umschwenken mit dem Fuß ausgerutscht; dadurch sei die Verletzung ausgelöst worden. Der Kläger hält das vorgetragene Geschehen für einen bedingungsgemäßen Unfall und behauptet, infolge einer erlittenen Verletzung, die zu der Notwendigkeit einer Operation geführt habe, bestehe bei ihm eine Invalidität von 50%.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es habe nicht die Überzeugung erlangen können, dass der Kläger beim Heben der Palette ausgerutscht sei. Der Kläger habe das Geschehen vorprozessual und in der Klageschrift stets ohne das Ausrutschen geschildert. Erst auf den Einwand in der Klageerwiderung, es handle sich bei dem bisher geschilderten Vorgang nicht um einen Unfall, weil keine äußere Einwirkung auf den Körper des Klägers erfolgt sei, habe der Kläger seine Schilderung ergänzt. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich um eine Anpassung an den Einwand der Beklagten handle.

Die Voraussetzungen einer Unfallfiktion nach Ziff. 1.4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen seien nicht gegeben, denn die Kraftanstrengung sei nicht zur Abwehr eines von außen wirkenden Ereignisses erzwungen worden. Ob die vom Kläger geltend gemachten Verletzungsfolgen von der Unfallfiktion überhaupt erfasst seien, insbesondere ob der Bandscheibenvorfall eine Verrenkung darstelle, sei eher zu verneinen, könne aber offen bleiben. Auf die Kausalität des Vorfalls für die Beschwerden des Klägers komme es daher nicht an.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehren „vollumfänglich“ weiterverfolgen will – tatsächlich fehlt im angekündigten Berufungsantrag jedoch die erstinstanzlich noch geforderte Summe von 25.000 € aus der Police Nr. … – und hilfsweise Zurückverweisung beantragt. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, das von ihm behauptete Geschehen stelle einen Unfall dar; soweit das Landgericht insoweit rechtliche Bedenken geäußert habe, seien diese nicht nachvollziehbar. Auch die in tatsächlicher Hinsicht bestehenden Zweifel seien unbegründet. Der Kläger habe seine Schilderung lediglich präzisiert, nicht angepasst. Genauere Angaben habe er vorher nicht gemacht, weil er erwartet habe, von der Beklagten zu näherer Schilderung aufgefordert zu werden, wenn dies für sie von Bedeutung wäre. Diese Aufforderung zu ergänzenden Angaben sei dem Kläger als Versicherungsvertreter auch bekannt gewesen. Er selbst habe dem Ausrutschen keine Bedeutung beigemessen; das sei auch nicht zu erwarten, denn der Kläger sei nicht gestürzt und er sei als selbstverständlich davon ausgegangen, dass es sich um einen Unfall handle. Trotz mehrjähriger Prüfung habe die Beklagte sich aber den Vorgang nicht näher schildern lassen. Sie habe im Gegenteil Gutachten über die Folgen des Unfalls eingeholt. Der Kläger habe daher zu einer detaillierteren Schilderung keinen Anlass gehabt, auch nicht in der Klageschrift, denn er habe davon ausgehen können, dass die Beklagte ein versichertes Unfallereignis nicht in Frage stelle. Der Vortrag habe sich daher auf die Unfallfolgen konzentrieren können. Das Bestreiten der Beklagten stelle ein widersprüchliches Verhalten dar. Es sei auch glaubwürdig, dass der Kläger ausgerutscht sei. Er habe auf Rasen gearbeitet; dabei könne es, wenn man sich immer wieder auf derselben Stelle bewege, auch bei trockener Witterung glitschig werden.

Jedenfalls liege ein Unfall im Sinne der Unfallfiktion gemäß Ziff. 1.4 vor. Im Zeitpunkt des Ausrutschens sei eine zuvor willentlich begonnene Kraftanstrengung zur Abwehr eines von außen kommenden Ereignisses erzwungen worden, da der Kläger aufgrund der von außen kommenden Krafteinwirkung die Palette nicht mehr habe halten können und sie ihm aus den Händen gefallen sei. Durch dieses Ereignis hätten sich Gelenke des Klägers in der Wirbelsäule verrenkt. Die bei dem Kläger nach dem Unfall festgestellten Gesundheitsbeschädigungen seien unter die Formulierung „Verrenkung eines Gelenks“ bzw. „Zerreißung“ der Wirbelsäule zu subsumieren.

Der Unfall habe zu einer Cervikobrachialgie rechts mit motorischen Ausfallerscheinungen und einer Dysästhesie im rechten Arm geführt. Als Dauerschäden seien verblieben motorische Funktionsbeeinträchtigung des Schulter-, Arm- und Halswirbelbereichs, ein chronisches Schmerzsyndrom mit ruhe- und belastungsabhängigen Schmerzen und Einschränkungen in der Lebensführung aufgrund der versteiften Wirbel und dadurch bedingten Bewegungseinschränkungen.

Die Berufung dürfte unbegründet sein.

Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass dem Kläger die erhobenen Ansprüche nicht zustehen.

Die den vier Verträgen zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen verlangen für ein versichertes Unfallereignis jeweils ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis, das unfreiwillig zu einer Gesundheitsbeschädigung führt (vgl. jeweils Ziff 1.3 der vereinbarten AUB). Ein solches Ereignis ist nicht nachgewiesen. Das bloße Heben der Palette und der damit ausgeführte Schwenk vom Stapel zur Kreissäge sind bloße Eigenbewegungen des Klägers, bei denen kein Ereignis von außen auf den Körper des Klägers eingewirkt hat. Um einen Unfall könnte es sich nur handeln, wenn die vom Kläger vorgenommene Eigenbewegung zu einer plötzlichen Einwirkung von außen geführt hätte, insbesondere wenn der Kläger bei seiner Drehbewegung ausgerutscht wäre. Denn dann wäre die anfänglich willensgesteuerte Eigenbewegung in ihrem weiteren Verlauf nicht mehr gezielt und für den Kläger beherrschbar gewesen; vielmehr wären dann Eigenbewegung und äußere Einwirkung zusammengetroffen (vgl. BGH U. v. 28.1.2009 – IV ZR 6/08). Das Landgericht hat jedoch nicht feststellen können, dass der Kläger ausgerutscht ist. An diese Feststellung ist der Senat gemäß § 529 ZPO gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel daran begründen, dass die Feststellungen des Landgerichts unrichtig oder unvollständig sind. Das Landgericht ist nach persönlicher Anhörung des Klägers zu dem Ergebnis gelangt, dass Zweifel an der Richtigkeit seiner Behauptung, er sei ausgerutscht, verbleiben. Dies ist nicht zu beanstanden. Auch der Senat hält es aufgrund der Umstände für möglich, dass der Kläger, der erstmals in der Stellungnahme zur Klageerwiderung das Ausrutschen vorgetragen hat, damit lediglich den Einwand der Beklagten, das bisher vorgetragene Geschehen stelle keinen Unfall dar, entkräften wollte, aber nicht mehr ein tatsächlich erlebtes Geschehen geschildert hat. Das liegt insbesondere deshalb nahe, weil der Kläger zuvor weder in der Unfallanzeige noch beim erstbehandelnden Arzt noch bei den beiden Sachverständigen eine solche Schilderung vorgetragen hat.

Es kann sein, dass er dies unterlassen hat, weil er diesen Umstand nicht für bedeutsam hielt und die Beklagte keine weiteren Einzelheiten erfragte. Eben so gut möglich ist es aber auch, dass der Kläger eine als unschlüssig erkannte Schilderung im Prozess nachbessern wollte. Die daher verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten des Klägers.

Die Beklagte hat bei dem Kläger kein schutzwürdiges Vertrauen geweckt, ein bedingungsgemäßes Unfallgeschehen nicht bestreiten zu wollen. Die von der Beklagten veranlasste Begutachtung des Gesundheitszustandes des Klägers war nicht geeignet, bei dem Kläger die Erwartung zu begründen, die Beklagte werde seine Unfallschilderung nicht bezweifeln. Die Gewissheit, dass ein Unfall vorgelegen hat, kann sich ein Versicherer unabhängig von der Schilderung des Versicherungsnehmers dadurch verschaffen, dass typische Unfallverletzungen festgestellt werden. Deshalb kann die Durchführung einer Begutachtung vom Versicherungsnehmer nicht so verstanden werden, dass der Versicherer jedenfalls von einem Unfall ausgeht. Im übrigen hat hier der zweite Gutachter ausdrücklich Zweifel geäußert, dass das vom Kläger geschilderte Geschehen einen Unfall darstellt. Auch deshalb konnte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte sich diesen Einwand im Prozess nicht zu Eigen machen würde.

Der Kläger hat auch keine gemäß Ziff. 1.4 der vereinbarten AUB als Unfall geltende Verletzung erlitten.

Allerdings treffen die Gründe des angefochtenen Urteils in diesem Zusammenhang nicht zu. Die nach Ziff. 1.4 nur erforderliche Kraftanstrengung muss nicht zur Abwehr eines von außen wirkenden Ereignisses erfolgen oder dadurch erzwungen sein. Wenn dies der Fall wäre, läge bereits ein Unfall im Sinne von Ziff. 1.3 AUB vor (vgl. Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., Ziff. 1 AUB 99, Rdn. 51).

Es kann auch offenbleiben, ob ein Bandscheibenschaden unter die in Ziff. 1.4 AUB erwähnten Verletzungen der Wirbelsäule subsumiert werden kann. Hiergegen spricht, dass Bandscheiben nach medizinischem Sprachgebrauch weder Gelenke noch Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln sind; dafür könnte jedoch das Alltagsverständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sprechen, der, weil in dieser Klausel die Wirbelsäule insgesamt und nicht nur in ihren knöchernen Bestandteilen erwähnt ist, möglicherweise einen Bandscheibenschaden jedenfalls bei einer Zerreißung des Faserrings als von dieser Bestimmung erfasst verstehen könnte (vgl. dazu einerseits BGH NJW-RR 1989, 217, andererseits Grimm, aaO., Ziff. 5 AUB 99, Rdn. 63 a.E.). Jedenfalls schließt aber Ziff. 5.2.1 der vereinbarten AUB Versicherungsschutz für Bandscheibenschäden aus. Dieser Risikoausschluss ist, auch soweit er nicht den Nachweis einer überwiegenden Verursachung durch ein Unfallereignis zulässt (so bei den Verträgen 48036484 und 50616024) wirksam; erträgt dem Umstand Rechnung, dass Bandscheibenschäden sehr häufig ihre Ursache in Abnutzungserscheinungen haben und deshalb im allgemeinen dem Bereich der Krankenversicherung und nicht der Unfallversicherung zugerechnet werden. Der Kläger ist, wie er selbst vorträgt und wie sich auch aus den vorgelegten ärztlichen Befunden ergibt, wegen eines Bandscheibenschadens operiert worden. Es wurde eine beschädigte Bandscheibe entfernt, Stenosen, also Verengungen, beseitigt und die infolge der Beschädigung und Entfernung der Bandscheibe verbleibende Instabilität der Wirbel durch ein Implantat beseitigt. Deshalb ist die Beweglichkeit der Halswirbelsäule eingeschränkt. Andere Verletzungen seiner Wirbelsäule trägt der Kläger nicht vor. Er behauptet lediglich allgemein, dass das behauptete Ereignis einen orthopädischen Schaden verursacht habe, der unabhängig von dem operierten Bandscheibenschaden sei. Eine bestimmte Verletzung im Sinne der Ziff. 1.4. behauptet der Kläger aber nicht. Die bei dem Kläger nach dem Ereignis vom 29.8.2005 festgestellte Cervikobrachialgie, die der Kläger als Zerrung verstanden wissen will, ist nichts anderes als der bei dem Kläger später operierte Bandscheibenschaden. Denn als Cervikobrachialgie werden zusammenfassend Schmerzen sowie Bewegungs- und Empfindungsstörungen im Nacken-, Schulter- und Armbereich bezeichnet, die ihre Ursache in Reizungen der an der Halswirbelsäule austretenden Nervenwurzeln infolge eines cervikalen Bandscheibenvorfalls oder infolge degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule haben.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen.Text

(OLG Frankfurt, Hinweisbeschluss v. 28.12.2010, Az. 7 U 102/10)