Haftpflichtversicherung

Ein Versicherungsnehmer hat gegen seine Haftpflichtversicherung in der Regel nur Anspruch auf Gewährung von bedingungsgemäßen Versicherungsschutz und nicht auf Zahlung der Haftpflichtforderung.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Betriebs-Haftpflicht-Versicherungsvertrages bedingungsgemäßen Rechtsschutz zu gewähren für die außergerichtliche und gerichtliche Geldmachung der im Wege der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus einem Schadensereignis vom 20. Mai 2009 der Firma I, A-straße C zurückbehaltenen Zahlungsbeträge in Höhe von 13.428,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 807,80 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über den Basiszinssatz seit dem 23.07.2010 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen 1/5 die Klägerin und 4/5 die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein bundesweit und international mit der Erstellung von Gerüsten und Traggerüsten befasstes Unternehmen, unterhält bei der Beklagten eine Haftpflichtversicherung, der u. a. die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Betriebs- und Privathaftpflichtversicherung (AVB 2005), die BBR PHV-BAU sowie die BBR-BAU 99 zugrundeliegen. Gemäß Ziffer 6.2 der letztgenannten Bedingungen sind mitversichert Schäden an selbstfahrenden Arbeitsmaschinen, die der Versicherungsnehmer aus Anlass von Arbeiten auf der Baustelle von am Bau tätigen Unternehmen gemietet oder geliehen hat.

Die Klägerin behauptet:

Einer ihrer Mitarbeiter sei am 20.05.2009 gegen 14:45 Uhr auf einer Baustelle an der Talbrücke M, T-Straße, tätig gewesen. Es seien auf Grund des Baufortschritts Gerüstteile von einem Ort an einen anderen Ort umzusetzen gewesen. Vor Ort sei auf ihrer Seite kein hierfür tauglicher Radlader vorhanden gewesen. Auf Grund des zwischen ihr und der Firma I bestehenden Werkvertrages habe die Firma I dem Mitarbeiter kostenfrei einen Radlader zur Verfügung gestellt. Auf Grund einer Unachtsamkeit habe ihr Mitarbeiter beim Rückwärtsfahren während des Umsetzens der Gerüstteile den Radlader dadurch beschädigt, dass er in einen vor Ort befindlichen Träger hineingefahren sei.

Die Klägerin meldete am 25.05.2009 unter Beifügung der Fotos des beschädigten Radladers den Schaden gegenüber der Beklagten. Die Firma I, die den Radlader ständig benötigte, ließ das Fahrzeug reparieren und übersandte der Klägerin die Reparaturrechnung über 16.428,15 €, die die Klägerin an die Beklagte weiterleitete. Da es zu keiner Regulierung der Rechnung kam, rechnete die Firma I gegenüber Werklohnansprüchen der Klägerin in Höhe der Reparaturforderung auf. In der Folgezeit zahlte die 3.000,00 € an die Klägerin, lehnte sodann aber Deckung ab und forderte die Akontozahlung zurück.

Die Klägerin hat die Beklagte deshalb auf Zahlung weiterer 13.428,15 €, die Feststellung fehlender Verpflichtung zur Rückzahlung der Akontozahlung und Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch genommen.

Nach Rücknahme des Antrags auf Feststellung mangelnder Rückzahlungspflicht und Umstellung des Zahlungsantrags auf einen Feststellungsantrag auf Gewährung von

Deckungsschutz beantragt die Klägerin nunmehr:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auf Grund des zwischen den Parteien geschlossenen Betriebs-Haftpflicht-Versicherungsvertrages bedingungsgemäßen Rechtsschutz zu gewähren für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung der im Wege der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus einem Schadensereignis vom 20.05.2009 der Firma I, A-Straße zurückbehaltenen Zahlungsbeträge in Höhe von 13.428,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

Die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Kosten in Höhe von 807,80 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23.07.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat den Feststellungsantrag unter Protest gegen die Kostenlast anerkannt und beantragt im Übrigen

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Haftpflichtforderungen nach Grund und Höhe bestritten, bevor sie nach Änderung des Klageantrags auf Deckung diesen Antrag anerkannt hat.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Deckungspflicht der Beklagten war auf Grund des abgegebenen Anerkenntnisses auszusprechen. Zur Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten ist die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Verzuges verpflichtet, da sie vorprozessual Deckung gegenüber der Klägerin abgelehnt hatte.

Die Kosten des Rechtsstreits waren mit Ausnahme des zurückgenommenen Teils der Klage der Beklagten aufzuerlegen, § 91 ZPO. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt § 93 ZPO nicht zum Zuge, obwohl die Beklagte den geänderten Antrag auf Feststellung von Deckungsschutz anerkannt hat. Bei diesem Anerkenntnis handelt es sich allerdings nicht um ein sofortiges im Sinne des § 93 ZPO. Zwar hatte die Klägerin ursprünglich beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 13.428,15 € an sie zu zahlen. Gegenüber diesem und den weiteren Anträgen hat sich die Beklagte ausschließlich mit Einwendungen zum Grund und zur Höhe der Haftpflichtforderung verteidigt. Deckungsrechtliche Einwendungen hat sie – weil offensichtlich nicht vorhanden – nicht erhoben. Daraufhin hat das Gericht der Klägerin den Hinweis erteilt, dass gegen den auf Zahlung von 13.428,15 € gerichteten Klageantrag Bedenken bestehen, da es dem Haftpflichtversicherer grundsätzlich freisteht, ob er die geltend gemachten Haftpflichtansprüche erfüllen oder den Versuch einer Abwehr (Rechtsschutzverpflichtung) unternehmen will. Deshalb könne der Versicherungsnehmer in der Regel nur auf Feststellung der Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes klagen, es sei denn, das Bestehen des Haftpflichtanspruches ist rechtskräftig festgestellt (KG IBR 2007, 343; OLG Karlsruhe VersR 2005, 781; OLG Düsseldorf R + S 2001, 16; Wendt R+ S 2008, 265/278) oder anerkannt – dann Klage auf Freistellung möglich – oder der Versicherungsnehmer hat befriedigt, dann ist Klage auf Zahlung an den Versicherungsnehmer möglich (OLG Stuttgart R + S 2010, 284 mit Anmerkung Steinbonn, jurisPR-VersR 7/2010, Anm. 4). Das Gericht hat ferner darauf hingewiesen, dass sich an dieser grundsätzlichen Konstellation nicht dadurch etwas geändert hat, dass sich im vorliegenden Fall der Geschädigte durch Aufrechnung gegenüber einer Forderung der Versicherungsnehmerin wegen der vermeintlichen Haftpflichtforderung befriedigt hat. Denn mit dieser Aufrechnung tritt keine Befriedigung im Sinne des § 106 VVG ein und damit auch keine Umwandlung des versicherungsrechtlichen Befreiungs- und Rechtsschutzanspruches in einen Zahlungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer. Der Versicherer erfüllt seine Rechtsschutzverpflichtung in dieser Situation dadurch, dass er einen Aktivprozess des Versicherungsnehmers gegen den Geschädigten auf Zahlung (wegen unberechtigter Aufrechnung) finanziert (OLG Hamm VersR 1978, 80; Schneider in Beckmann/Matusche/Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 24, Rdn. 17; Baumann in Berliner Kommentar zum VVG, § 150, Rdn. 12 und § 154, Rdn. 13). Der Beklagten hat das Gericht den Hinweis erteilt, dass wegen des im Haftpflichtprozess geltenden Trennungsprinzips über Grund und Höhe des Haftpflichtanspruches ausschließlich im Haftpflichtprozess zu entscheiden ist, während im Deckungsprozess der Versicherungsnehmer das Bestehen des Haftpflichtanspruchs nicht zu beweisen braucht; es reicht insoweit die Behauptung des Geschädigten aus (OLG Hamm VersR 2005, 1678, 1679; Lücke VK 2010, 145/146).

Auf Grund dieser Hinweise hat die Klägerin den Zahlungsanspruch auf den Feststellungsanspruch umgestellt und die Beklagte hat den umgestellten Antrag sodann anerkannt. Dies erfolgte aber unter dem „Druck“ des gerichtlichen Hinweises und unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsposition, wonach das Bestreiten des Haftpflichtanspruches zur Verweigerung der Deckung ausreichend sein sollte. In dieser Situation ist das abgegebene Anerkenntnis kein sofortiges im Sinne des § 93 ZPO, welches die Beklagte von der Kostentragungspflicht befreien konnte (OLG Köln MDR 2006, 226; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 93, Rdn. 4).

LG Dortmund, Urteil v. 27.01.2011, Az. 2 O 275/10