Krankenversicherung

Eine private Krankenversicherung kann nur dann vom Versicherungsvertrag zurücktreten, wenn sie den Versicherungsnehmer bei Antragstellung durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer vorvertraglichen Anzeigenpflichtverletzung hingewiesen hat. Gegenüber anderen Informationen muss dieser Hinweis deutlich hervorgehoben sein. Inhaltlich ist der Hinweis falsch, wenn er über ein angebliches Rücktrittsrecht des Versicherers im Basistarif belehrt und irreführend, wenn die Folgen einer Vertragsanpassung nicht klar dargelegt werden. 

Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass der bei der Beklagten unterhaltene 

Krankenversicherungsvertrag mit der Versicherungsscheinummer ##.###.### fortbesteht und nicht durch Rücktritt bzw. Anfechtung seitens der Beklagten beendet ist.


2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist,

der Beklagten die Kosten der stationären Behandlung in der Schlossklinik Q für die Zeit vom 15.02. bis 24.02.2010 in Höhe von 3.480,00 € zu erstatten.


3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.240,00 € nebst Zinsen in 
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2010 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsvertretung der Klägerin in Höhe von 1.307,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2010 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 31.343,60 € die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d

Die Kläger war mit ihrer Tochter bei der Beklagten krankenversichert. Nach einer Beitragserhöhung der Krankenversicherung ihrer Tochter machte sie von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch. Die Beklagte bestätigte die Beendigung des Versicherungsvertrages wunschgemäß mit Schreiben vom 06.11.2007 und zwar für die Tochter zum 30.11.2007 und für die Klägerin als ordentliche Kündigung zum 31.01.2008, dem Ende des Versicherungsjahres.

Unter dem 15.10.2009 beantragte die Klägerin, von Beruf Leiterin eines ambulanten Pflegedienstes, durch Vermittlung ihrer Lebensgefährtin, der Zeugin I, einer Mitarbeiterin eines Mehrfachagenten der Beklagten, den Abschluss einer neuen Krankenversicherung ab 01.10.2009 für sich. Bei der Antragsfrage nach Vorversicherungen ist die Beklagte mit 02/08 aufgeführt. Die Gesundheitsfragen sind im Wesentlichen verneint, auch diejenige nach Krankheiten oder Beschwerden irgendwelcher Art in den letzten 5 Jahren. Die Frage nach Behandlungen in den letzten 5 Jahren ist bejaht und eine Ringfingerverstauchung im März 2005 ohne Operation und Folgen angegeben. Die Beklagte nahm den Antrag an, wies im Versicherungsschein aber daraufhin, dass für die Zeit der Nichtversicherung trotz bestehender Versicherungspflicht ab 01.01.2009 ein Prämienzuschlag zu entrichten sei.

Ab 16.02.2010 wurde die Klägerin stationär in der Schlossklinik Q wegen schwerer depressiver Episode behandelt. Die Beklagte erteilte zunächst eine Kostenzusage gegenüber der Klinik, widerrief diese aber mit Schreiben vom 24.02.2010. Mit Schreiben vom 17.03.2010 erklärte sie gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt vom Vertrag wegen Anzeigepflichtverletzung mit der Begründung, dass bei der Klägerin bereits ab Februar 2009 sich verstärkende psychische Beschwerden mit Depressionen und einhergehendem Gewichtsverlust von 10 kg bestanden hätten und die Klägerin schon vor Jahren einen Suizidversuch unternommen hätte.

Die Klägerin bestreitet, bei Antragstellung bereits erkrankt gewesen zu sein. Erstmals im Januar 2010 habe sie einen Facharzt aufgesucht, der die Depression festgestellt habe. Zwar habe sie sich nach Februar 2009 unwohl gefühlt und auch etwas an Gewicht verloren, dies aber auf frauentypische Alterungserscheinungen zurückgeführt. Der Suizidversuch liege 20 Jahre zurück.

Die Klägern vertritt die Auffassung, keinen neuen Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen, sondern den alten fortgesetzt zu haben. Dazu behauptet sie, dass ihr erst ab Mitte August 2009 aufgefallen war, dass ihr Vertragsteil versehentlich mitgekündigt worden war.

Die Klägerin begehrt Feststellung des Fortbestandes der Krankenversicherung trotz Rücktritt und Anfechtung, Zahlung der noch nicht beglichenen Kosten für die stationäre Behandlung und Feststellung, dass die zur Erstattung der bereits beglichenen Behandlungskosten nicht verpflichtet ist.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an Anfechtung und Rücktritt fest.

Das Gericht hat über die Behauptungen der Beklagten zu den bereits vor Antragstellung vorliegenden Erkrankungen und Beschwerden der Klägerin Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der die Klägerin in der Schlossklinik Q behandelnden Ärzte. Ferner hat es die Klägerin nach § 141 ZPO angehört. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29.07.2010 und die schriftlichen Aussagen der Zeugen Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist in vollem Umfang begründet. 

Der zwischen den Parteien geschlossene Krankenversicherungsvertrag ist weder infolge einer Anfechtung durch die Beklagte als von Anfang an nichtig anzusehen noch durch eine Rücktrittserklärung rückwirkend aufgehoben worden. Deshalb ist die Beklagte verpflichtet, die Kosten für die stationäre Behandlung der Klägerin in der Schlussklinik Q nebst den vorgerichtlichen Anwaltskosten für die Geltendmachung des Anspruchs zu tragen.

Mit der Beklagten geht das Gericht davon aus, dass zwischen den Parteien im Jahre 2009 ein neuer Krankenversicherungsvertrag geschlossen worden ist und nicht -wie die Klägerin meint- der alte Krankenversicherungsvertrag fortgesetzt wurde. Denn die Klägerin hatte den alten Krankenversicherungsvertrag, auch soweit dieser sie selbst betraf, gekündigt. Die Beklagte hat die Kündigung bestätigt und die Klägerin hat ab dem Zeitpunkt, zu dem die ordentliche Kündigung wirksam wurde, keine Prämien mehr gezahlt. Diese Umstände deuten zweifelsfrei daraufhin, dass der alte Krankenversicherungsvertrag durch Kündigung der Klägerin beendet worden ist.

Der im Jahre 2009 abgeschlossene Krankenversicherungsvertrag unterliegt den Vorschriften des VVG 2008, da er nach dem 31.12.2007 zustande gekommen ist (Artikel 12 des VVG-Reformgesetzes v. 23.11.2007, BGBl. I S. 2631). Damit finden im Hinblick auf die von der Beklagten geltend gemachte Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht die §§ 19 ff. VVG Anwendung. Allerdings greift weder die von der Beklagten erklärte Arglistanfechtung durch noch kann sich die Beklagte auf ein Rücktrittsrecht berufen.

1. Gemäß § 22 VVG kann der Versicherer unbeschadet der Rechte aus § 19 VVG den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Die Beklagte hat jedoch nicht bewiesen, dass die Klägerin eine solche arglistige Täuschung bei Antragstellung begangen hat.

Die arglistige Täuschung nach § 123 BGB setzt voraus eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen unwahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht. In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde. Weiterhin muss die arglistige Täuschung für die Willenserklärung des Versicherers kausal geworden sein (ständige Rechtsprechung, zuletzt BGH VersR 2011, 337 m. w. N.). Daran gemessen hat die Beklagte jedenfalls einen Täuschungsvorsatz der Klägerin nicht bewiesen. Den schriftlichen Aussagen der von der Beklagten benannten Ärzte kann das Gericht entnehmen, dass bei der Klägerin bereits vor Antragstellung im Oktober 2009 Beschwerden vorgelegen haben, die auf die entsprechende Frage im Antragsformular auch hätten angegeben werden müssen, so dass objektiv eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vorliegt. Die Zeugen haben aber auch bekundet, dass die Klägerin diese Beschwerden in ihrer wahren Ursache nicht erkannt, sondern auf die Wechseljahre zurückgeführt hat. Dies erscheint dem Gericht nachvollziehbar, da gerade psychisch Erkrankte längst nicht immer realisieren, dass die Ursache ihrer Beschwerden im psychischen Bereich liegt. Damit hat die Beklagte nicht bewiesen, dass die objektiv unrichtige Beantwortung der Gesundheitsfragen in dem Bewusstsein erfolgt ist, auf den Willen des Versicherers einzuwirken. Denn wenn die Klägerin ihre Beschwerden auf die Wechseljahre zurückgeführt hat, kann das Gericht nicht davon ausgehen, dass sie erkannt und gebilligt hat, dass die Beklagte bei Kenntnis von frauentypischen Beschwerden in den Wechseljahren den Versicherungsvertrag gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen würde.

2. Auch die hilfsweise ausgesprochene Rücktrittserklärung hat keinen Erfolg. Denn der Beklagten steht gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG ein Rücktrittsrecht allein schon deswegen nicht zu, weil sie die Klägerin nicht durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat.

a) Der der Klägerin erteilte Hinweis nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG erfüllt schon in formeller Hinsicht nicht die Anforderungen, die an eine "gesonderte Mitteilung in Textform" zu stellen sind. Die Beklagte hat sich dazu entschieden, den Hinweis nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG nicht in das Antragsformular zu integrieren, sondern in die dem Antrag beigefügten wichtigen Hinweise und Schlusserklärungen einzufügen, auf die vor der Unterschriftsleiste im Antragsformular hingewiesen wird. Diese wichtigen Hinweise und Schlusserklärungen enthalten allerdings nicht nur den Hinweis über die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung, sondern eine Vielzahl weiterer Informationen, denen gegenüber der Hinweis auf die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung weder hervorgehoben, geschweige denn deutlich hervorgehoben ist. Wie das erkennende Gericht bereits in seinem rechtskräftigen Urteil vom 17.12.2009 - 2 O 399/09 - (Versicherungsrecht 2010, 465 mit Anm. Marlow und Anm. Steinborn in jurPR-Versicherungsrecht 6/2010 Anm. 1) ausgeführt hat, kann der nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG erforderliche Hinweis auf die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung die vom Gesetzgeber beabsichtigte Warnfunktion nur erfüllen, wenn sich der Hinweis von weiteren Textteilen, zwischen die er eingefügt worden ist, so deutlich abhebt, dass er von einem durchschnittlich sorgfältigen Antragsteller nicht überlesen wird. Diesen Voraussetzungen wird der von der Beklagten gestaltete Hinweis nicht gerecht, der in gleicher Schriftgröße, in gleicher Schriftart und ohne jede andere Art der Hervorhebung in zahlreiche weitere Hinweise eingebettet worden ist. Schon dieser formelle Mangel lässt es nicht zu, dass die Beklagte ein ihr gegebenenfalls zustehendes Rücktrittsrecht ausüben konnte.

b) Der Hinweis auf die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung ist aber auch materiell unrichtig, so dass sich die Beklagte auch aus materiellen Gründen nicht auf ein Rücktrittsrecht wegen einer vorvertraglichen Anzeigepflicht berufen kann. Die Kammer hat dazu in ihrer bereits erwähnten und in Versicherungsrecht 2010, 465 veröffentlichten Entscheidung ausgeführt, dass der nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG erforderliche Hinweis inhaltlich eine nicht nur zutreffende, sondern auch unter Berücksichtigung der Warnfunktion des Hinweises möglichst umfassende, unmissverständliche aus dem Verständnis des Antragstellers eindeutige Belehrung erfordert. Auch diesen Voraussetzungen wird die –sehr umfangreiche und den durchschnittlichen Versicherungsnehmer möglicherweise schon deshalb überfordernde- Belehrung der Beklagten nicht gerecht, die folgenden Wortlaut hat:

"Bitte beachten Sie, dass Sie gemäß § 19 VVG verpflichtet sind, dem Versicherer bis zur Abgabe ihrer Vertragserklärung alle ihnen bekannten Umstände, die für die Übernahme des Versicherungsschutzes von Bedeutung sind und nach denen in Textform gefragt wird, nach bestem Wissen sorgfältig und wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten und dabei auch für unwesentlich gehaltene Erkrankungen und/oder Beschwerden anzugeben (vorvertragliche Anzeigepflicht). Für den Fall, dass sie ihre vorvertragliche Anzeigepflicht verletzten, indem sie die ihnen bekannten Gefahrumstände, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, nicht oder unrichtig anzeigen, belehren wir sie über folgende Rechtsfolgen:

Je nachdem, ob sie die Anzeigepflicht vorsätzlich, grob fahrlässig oder leicht fahrlässig verletzen, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, ihn kündigen oder, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, den Vertrag anpassen. 

Sofern sie die Anzeigepflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten. Wenn Versicherungsschutz nach dem Basistarif besteht, kann der Versicherer nur bei einer vorsätzlichen Verletzung der Anzeigepflicht vom Vertrag zurücktreten. Erfolgt ein Rücktritt vom Vertrag, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, die Verletzung der Anzeigepflicht bezieht sich auf einem Umstand, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist.

Sofern sie die Anzeigepflicht leicht fahrlässig verletzen, kann der Versicherer den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen, wenn es sich nicht um eine Krankheitskostenversicherung im Sinne des § 193 Abs. 3 VVG handelt. Zu einer Krankheitskostenversicherung im Sinne des § 193 Abs. 3 VVG zählen alle Tarife, die mindestens eine Kostenerstattung von ambulanter oder stationärer Heilbehandlung beinhalten, sofern diese nicht den Versicherungsschutz einer gesetzlichen Krankenversicherung ergänzen.

Außer im Falle der Verletzung der Anzeigepflicht sind das Rücktrittsrecht und das Kündigungsrecht des Versicherers ausgeschlossen, wenn der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, abgeschlossen hätte. Der Versicherer kann in diesem Fall eine Vertragsanpassung verlangen, durch die die anderen Bedingungen bei schuldhafter Anzeigepflichtverletzung rückwirkend Vertragsbestandteil werden.

Die vorgenannten Rechte stehen dem Versicherer nicht zu, wenn er den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.

Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt. Sofern der Vertrag wegen einer arglistigen Täuschung vom Versicherer wirksam angefochten wird, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet."

Zum einen ist die Belehrung unrichtig, soweit sie über ein angeblich bestehendes Rücktrittsrecht bei vorsätzlicher Verletzung der Anzeigepflicht bei einem Versicherungsschutz nach dem Basistarif belehrt. Denn gemäß § 203 Abs. 1 Satz 3 VVG ist im Basistarif eine Risikoprüfung nur zulässig, soweit sie für Zwecke des Risikoausgleichs nach § 12 g des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder für spätere Tarifwechsel erforderlich ist. Mithin kann die Beklagte bei der Versicherung nach dem Basistarif keine Risikoprüfung vornehmen, um diese zum Anlass für einen Rücktritt zu nehmen (Marlow/Spuhl VersR 2009, 593, 600/1). Offenbar hat die Beklagte § 193 Abs. 5 Satz 4 VVG missverstanden, wonach der Antrag auf Versicherungsschutz im Basistarif wegen bestehender Versicherungspflicht nur abgelehnt werden darf, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert war und der Versicherer den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist. Diese Vorschrift berechtigt den Krankenversicherer, einen Antrag auf Versicherungsschutz im Basistarif abzulehnen, wenn er von einem bereits vorher bestehenden Versicherungsvertrag wegen vorsätzlicher Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist. Die Vorschrift gibt des Versicherer nicht das Recht, von einem abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrag im Basistarif zurückzutreten, weil bei Antragstellung eine Anzeigepflichtverletzung begangen worden ist, da eine Risikoprüfung - wie ausgeführt - gemäß § 203 Abs. 1 Satz 3 VVG nur zum Zwecke des Risikoausgleichs oder für spätere Tarifwechsel zulässig ist. Soweit die Anwendbarkeit der §§ 19ff. VVG auch bei Abschluss einer Krankenversicherung im Basistarif befürwortet wird (Marko in Rüffer/Halbach/Schimikowski, HK-VVG, § 193 Rn. 13 und 20; ders. in Marlow/Spuhl, Das Neue VVG Kompakt, 4. Aufl. Rn. 1345), wird jedenfalls keine Beschränkung des Rücktrittsrechts auf eine vorsätzliche Anzeigepflichtverletzung vertreten, so dass die Belehrung der Beklagten auch unter Anwendung dieser vom erkennenden Gericht allerdings nicht geteilten Auffassung unrichtig ist.

Darüber hinaus ist die Belehrung auch irreführend, soweit sie auf die Rechtsfolgen des Rücktritts, der Anfechtung und der Vertragsanpassung hinweist. Die Beklagte erwähnt ausdrücklich, dass sowohl bei Ausübungen des Rücktrittsrechtes als auch bei wirksamer Anfechtungserklärung kein Anspruch auf die Versicherungsleistung besteht. Ein solcher Hinweis findet sich bei der Erläuterung der Rechtsfolgen einer Vertragsanpassung indes nicht, jedenfalls nicht in einer für das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers erforderlichen Klarheit. Denn hier weist die Beklagte lediglich daraufhin, dass im Falle einer Vertragsanpassung die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil werden. Darunter wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht verstehen, dass sein Versicherungsschutz auch rückwirkend entfallen kann, wenn die Vertragsanpassung als rückwirkende Einfügung eines Risikoausschlusses erfolgt. Gerade weil die Beklagte auf den Verlust des Versicherungsschutzes bei Ausübung eines Rücktrittsrechtes oder Erklärung der Arglistanfechtung hingewiesen hat, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer annehmen, dass ihm der Verlust des Versicherungsschutzes bei einer selbst rückwirkenden Vertragsanpassung nicht droht. Das Gericht hält es nicht für erforderlich, dass über die Folgen einer Arglistanfechtung überhaupt belehrt wird. Wenn es die Beklagte aber für nötig erachtet, darauf hinzuweisen, dass bei einer Arglistanfechtung der Versicherungsschutz entfällt, erscheint es dem Gericht umso erforderlicher, diese Rechtsfolge auch bei der Vertragsanpassung zu erwähnen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird wissen, dass bei Anfechtung oder Rücktritt kein Versicherungsschutz besteht. Diese Rechtsfolge wird ihm indes bei der Vertragsanpassung nicht bekannt sein, da darunter eher eine Prämienanpassung als eine Einfügung eines Risikoausschlusses mit Rückwirkung und damit einhergehendem Verlust des Versicherungsschutzes für einen schon eingetretenen Versicherungsfall zu verstehen ist. Deshalb hält das Gericht den Hinweis auf den rückwirkenden Verlust des Versicherungsschutzes bei Ausübung einer Vertragsanpassung für erforderlicher als dessen Erwähnung bei Ausübung von Rücktritt und Anfechtungsrecht. Jedenfalls darf die Erwähnung dieser Rechtsfolge bei der Vertragsanpassung nicht fehlen, wenn sie bei Rücktritt und Anfechtung ausdrücklich erwähnt wird, weil dann bei dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer die falsche Vorstellung erweckt wird, bei einer Vertragsanpassung könne er seinen Versicherungsschutz gerade nicht verlieren.

Die Irreführung der Klägerin bei der Erläuterung der Rechtsfolgen einer Vertragsanpassung führt dazu, dass die Beklagte sämtliche und nicht nur die von einer falschen Belehrung betroffenen Gestaltungsrechte nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG nicht ausüben kann, wie das erkennende Gericht in seinem Urteil vom 24. Februar 2011 - 2 O 250/10 - eingehend begründet hat.

Da weder Anfechtung noch Rücktritt Erfolg haben, besteht der Krankenversicherungsvertrag zwischen den Parteien fort und die Beklagte ist verpflichtet, entsprechend ihrem in den MB/KK abgegebenen Leistungsversprechen die Kosten für die stationäre Heilbehandlung der Klägerin zu übernehmen. Damit steht ihr auch kein Recht zu, die bereits gezahlten Kosten von der Klägerin zurückzufordern. 

Die vorvertraglichen Anwaltskosten der Klägerin hat die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der schuldhaften Vertragsverletzung in Form eines Schuldnerverzuges gemäß § 280 BGB zu tragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

(Landgericht Dortmund, Urteil v. 10.03.2011, Az. 2 O 105/10)